Urbanes Stoffstrommanagement: Instrumente für die ressourceneffiziente Entwicklung von Stadtquartieren – Phase 2
Stadtplanung stellt sich immer stärker als Planung auf der Quartiersebene dar: hier lassen sich planerische und technologische Gesamtkonzepte und ökonomische Skaleneffekte realisieren. Identifikationseffekte der Bewohner können die Umsetzung von Maßnahmen beschleunigen. Gleichzeitig unterliegen städtische Quartiere in Ballungsräumen heute einem vielfältigen Veränderungsdruck durch Zuwanderung und steigende Attraktivität des Wohnens in der Stadt, aber auch durch gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungsprozesse, z. B. der Rückkehr von (Klein-)Unternehmen auf Basis Industrie 4.0 in die Innenstädte. Insgesamt lässt sich eine steigende Dynamik der Umstrukturierung von Quartieren beobachten. Die Entwicklung von Planungsinstrumenten für die Quartiersebene hat daher einen sehr hohen Wert für übertragbare Lösungsmodelle.
Städtische Quartiere bündeln Stoffströme in unterschiedlicher Weise: Der Bestand der „gebauten Umwelt“ von Quartieren (Gebäuden und Infrastrukturen) stellt ein Lager an Materialien dar, die bei Sanierung, Umbau, Abbruch oder Umbau frei werden und als Sekundärrohstoffe in hochwertige Verwertungskreisläufe zurückgeführt werden sollen. Die Funktionen von Quartieren für Wohn-, Gewerbe- oder spezifische Zwecke (z. B. Universitätscampus) steuern Stoff- und Materialströme in Form der Nachfrage der zur Versorgung einfließenden Stoffströme (beispielsweise energetische Versorgung) und der Abgabe der zu entsorgenden Stoffe. Gleichzeitig sind die Funktionen eines Quartiers maßgeblich für den Aufbau neuer Lager an Materialien beim Neubau von Gebäuden und Infrastrukturen. Die beschriebene steigende Dynamik der Quartiersplanung ist daher eine Chance für die Etablierung eines urbanen Stoffstrommanagements, das bislang nur sektoral (z. B. im Energiebereich) und eher reaktiv (z. B. Verwertungskonzept bei Abriss) stattfindet. Die gegenwärtigen Hemmnisse für ein quartiersbezogenes Stoffstrommanagement liegen z. T. im fehlenden Bewusst-sein für die Möglichkeiten von Planungsprozessen zur Beeinflussung der Ressourceneffizienz, z. T. aber auch in fehlenden Informationsgrundlagen und Instrumenten zur umfassenden Bewertung der Aspekte von Ressourceneffizienz auf Quartiersebene.
Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt die Ziele, die in der Forschungs- und Entwicklungsphase erarbeiteten Wissens- und Informationsgrundlagen sowie praxisbezogene Instrumente für ein quartiersbezogenes Stoffstrommanagement in der Praxis zu etablieren, diese im Rahmen realer Planungsprozesse zu erproben und je nach Anwendungsbedarf weiterzuentwickeln. Der entwickelte „Werkzeugkasten Ressourceneffizienz“ soll an verschiedensten Anwendungsfeldern in realen Planungsprozessen eingesetzt werden und somit die Ressourceneffizienz von Stadtquartie-ren systematisch erhöhen.
Die direkte Verwertung der Projektergebnisse erfolgt zum einen in der beteiligten Stadt Darmstadt und den assoziierten Partnerstädten Wiesbaden, Bensheim, Gemeinde Münster (Hessen) und Gemeinde Otzberg, sowie Immobiliengesellschaften. Dies umfasst einerseits die Verstetigung von Planungsprozessen und die Entwickelung von Leitbildern für ein „Ressourceneffizientes Stadtquartier“, die von den Städten beabsichtigt sind. Zum anderen werden die Erkenntnisse zur Ressourceneffizienz in Form eines zu entwickelnden Geschäftsmodells in die breite Anwendung gebracht und für weitere potentielle Anwender wie Kommunen, Immobiliengesellschaften etc. zugänglich gemacht.
Das Innovationspotential und der Neuheitsgrad des in RessStadtQuartier entwickelten „Werkzeugkasten Ressourceneffizienz“ liegt insbesondere in der Verknüpfung von Ansätzen des Life Cycle Assessment (LCA), des Building Information Modelling (BIM) und von GIS-basierten Katastern. Dies erfolgt konzeptionell durch Verschränkung des „physischen Lebenszyklus“ mit dem „Planungszyklus“ von Quartieren. Der „physische Lebenszyklus“ liegt der Methode des LCA zu Grunde und um-fasst die Herstellungsphase, d. h. der Bau des Quartiers einschließlich der Produktion der Baumaterialien und Rohstoffen, die Nutzenphase, in der das Quartier bewohnt wird und die End-of-Life-Phase, die Abriss/Rückbau und die anschließende Entsorgung umfasst. Durch Erfassung des vollständigen Lebenszyklus wird u. a. die Bewertung von „grauer Energie“ und von Maßnahmen der Circular Economy möglich. Auf Basis des „Planungszyklus“ von Quartieren der Bauplanung bis zu Realisierung von Maßnahmen können die Aufgaben bzw. Entscheidungspunkte identifiziert werden, mit denen Akteure Einfluss auf den „physischen Lebenszyklus“ von Quartieren nehmen können. Auf diese Aufgaben ist der in RessStadtQuartier entwickelte „Werkzeugkasten“ abgestimmt und kann so in optimaler Weise Entscheidungsunterstützung in der ganzheitlichen Sicht des Lebenszyklus leisten. Im Einzelnen stellen sich die Beiträge zu den Wirkungszielen der Bekanntmachung wie folgt dar.