Ein Konsortium von sieben wissenschaftlichen Institutionen und Unternehmen wird in den nächsten drei Jahren unter der Leitung der Fraunhofer-Einrichtung IWKS innovative Verfahren zur Rückgewinnung von Seltenerdelementen und Platingruppenmetallen aus mineralischen Aufbereitungs- und Produktionsrückständen entwickeln. Im Rahmen des Projektes MinSEM werden Prozesse erforscht, die es ermöglichen, ein breites Spektrum an mineralischen Materialien so aufzubereiten, dass eine Rückgewinnung strategischer Metalle mit der Verwertung von Restfraktionen einhergeht. Das Forschungsvorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,2 Mio. € im Rahmen des Förderschwerpunktes »r4 – Innovative Technologien für Ressourceneffizienz – Forschung zur Bereitstellung wirtschaftsstrategischer Rohstoffe« im Rahmenprogramm »Forschung für nachhaltige Entwicklung (FONA) « gefördert. Projektstart war im Juni 2015.
Beim Recycling von Autoabgaskatalysatoren fallen große Mengen Schlacken an, die eine Vielzahl strategischer Metalle wie Cer und Lanthan aus der Gruppe der Seltenerdelemente sowie Platingruppenmetalle enthalten. Auch in den Produktionsrückständen von Brillengläsern, den sogenannten Flintgläsern, sind Seltenerdelemente in nicht vernachlässigbaren Mengen vorhanden. In oxidischer Form enthalten die Gläser einen Lanthan-Anteil von bis zu 40 Gew.-% und sind damit eine geeignete Lanthan-Rohstoffquelle. Bisher wurden diese wertvollen und zum Teil kritischen Elemente nicht zurückgewonnen, da eine adäquate Verfahrenskette von der Zerkleinerung über die Rückgewinnung bis hin zum Wiedereinsatz fehlte. Die Voraussetzungen zu schaffen, sie wieder in verwertbare Produkte überführen zu können und damit den Wertstoffkreislauf zu schließen, ist ein Ziel des Verbundprojekts »MinSEM«. Zudem sollen mit »MinSEM« grundlegende Erkenntnisse darüber gewonnen werden, inwiefern es möglich ist, Schlackenrestfraktionen aus den unterschiedlichen Wertströmen flexibel in Neuprodukten wiederzuverwenden. So ließe sich eine solche Verfahrensweise auch auf andere Stoffströme übertragen, zum Beispiel auf Schlacken aus Verhüttungsprozessen.
Für die Rückgewinnung der Seltenerdelemente und Platingruppenmetalle werden zwei innovative Verfahren angewendet. In einem ersten allgemeinen Schritt werden die Schlacken und Gläser zerkleinert und mechanochemisch bearbeitet. Bei der folgenden nasschemischen Behandlung entstehen konzentrierte wässrige Lösungen, die über »Flüssig-Flüssig Extraktionen« auf Basis ionischer Flüssigkeiten aufbereitet werden, um Seltenerdelemente und Platingruppenmetalle bis in den technischen Maßstab separieren zu können. In einem zweiten, auf die Wiederverwertung bei Spezialgläsern zugeschnittenen Verfahren sollen die Seltenerdelemente über Festkörper-Gas-Reaktionen selektiv von den Produktionsrückständen abgetrennt werden. So werden Seltenerdverbindungen generiert, die gegebenenfalls mit ionischen Flüssigkeiten weiter aufgearbeitet werden oder mit Hilfe einer thermischen Behandlung in die Oxide der Seltenerdelemente überführt werden können.
Die so gewonnenen Seltenerdmetalle sollen als Oxide im Herstellungsprozess von Spezialgläsern und in Form von Metallen als Rohstoff für die Herstellung von Hochtechnologieprodukten Anwendung finden. Die mineralischen Restfraktionen aus Schlacken und Gläsern sind wiederum im Baubereich einsetzbar. Bei entsprechender Qualität können hier große Mengen des Materials genutzt werden. Dies gilt für den Bereich der Baustoffe, wo das Material als Zuschlagstoff bei der Herstellung von Produkten wie Beton oder Geopolymeren eingesetzt werden kann, wie für den Verkehrswegebau.
Das Konsortium
Die Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS koordiniert das Projekt. Neben der Projektgruppe und der TU Dresden / Professur für Physikalische Organische Chemie haben sich in dem Konsortium die Unternehmen Duesmann & Hensel Recycling GmbH, ratiochem GmbH, Maleki GmbH, ThyssenKrupp MillServices & Systems GmbH und Barberini GmbH zusammengeschlossen. Die Partner bringen in das Forschungsprojekt die jeweiligen Kompetenzen und das Know-how ein, die es erst gebündelt ermöglichen, die einzelnen Projektphasen vom Labor bis hin zur Aufskalierung in den Pilot-Maßstab durchzuführen. Duesmann & Hensel Recycling und Barberini stellen das Schlackenmaterial sowie die Spezialgläser zur Verfügung. Gemeinsam mit der TU Dresden entwickelt die Fraunhofer-Projektgruppe IWKS die chemischen Verfahren. ratiochem und IWKS wiederum skalieren die chemischen Verfahren auf, während Maleki gemeinsam mit ThyssenKrupp die weiteren Untersuchungen zur Verwertung der Restfraktionen durchführt. Der Schmelzprozess wird optimiert durch Duesmann & Hensel Recycling.
Eine gemeinsame Presseinformation von
Die Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS mit Standorten in Alzenau und Hanau wurde im Jahr 2011 von der Fraunhofer-Gesellschaft unter dem Dach des Fraunhofer ISC gegründet. In den Geschäftsbereichen Ressourcenstrategie, Wertstoffkreisläufe und Substitution wird daran gearbeitet, die Rohstoffversorgung unserer Industrie langfristig zu sichern und damit eine führende Position in der Hochtechnologie auch zukünftig zu ermöglichen. Dafür werden zusammen mit Industriepartnern innovative Trenn-, Sortier-, Aufbereitungs- und Substitutionsmöglichkeiten erforscht.
Barberini GmbH
Als weltweit anerkannter Hersteller von Spezialgläsern führt Barberini die dazu notwendigen Verfahrensschritte zur Herstellung der Gläser durch. Im Sinne des Qualitätsmanagements erfolgt begleitend zur Herstellung eine marktübliche und kundenspezifische Analytik, im Rahmen derer die Gläser und deren Abfälle bezüglich der Gehalte an Seltenerdelementen stetig untersucht werden. Ebenso ist die Firma mit den Qualitätsanforderungen für einzusetzende Rohstoffe vertraut, die eine aussagekräftige Bewertung der zurückgewonnenen Seltenerdoxide bezüglich des Wiedereinsatzes bei der Glasherstellung möglich machen.
Duesmann & Hensel Recycling GmbH
Die Duesmann & Hensel Recycling GmbH führt unter anderem auch den metallurgischen Schritt zur Herstellung der Schlackensysteme und Platingruppenelemente durch. Daher ist Duesmann & Hensel Recycling gut vertraut mit den heute weltweit betriebenen großtechnischen Prozessen zur Wiedergewinnung der Platingruppenmetalle Palladium, Platin und Rhodium aus Autokatalysatoren.
Maleki GmbH
Klimaänderung ist eine globale Herausforderung, die mit praktischen Lösungen, Produkten und neue Technologien adressiert werden muss. Maleki GmbH ist darauf spezialisiert, Baustoffe zu entwickeln und herzustellen, die durch Klinkerreduzierung zu einem enormen umweltfreundlichen Effekt nämlich Reduktion der CO2-Emission führen. Bisheriges Ziel und Planung basierten auf der Forschung und Entwicklung neuer Bindemittelsysteme, die effektiv und vorteilhaft Zement und Epoxidharze ersetzen. Durch jahrelange Erfahrung in der Forschung, Einsatz erneuerbarer 26 Rohstoffe, intensiver Arbeit und Investitionen hat die Maleki GmbH einen besonders großen Teil des Zieles erreichen können und hat mittlerweile mehrere Produkte mit einem neuen Bindemittel entwickelt. Mit dem Bindemittel hergestellte Produkte sparen Material und Verarbeitungszeit bei besseren Eigenschaften. Sie haben eine deutlich längere Beständigkeit und somit eine größere Langlebigkeit bei ausgezeichneten bauphysikalischen Eigenschaften.
ratiochem GmbH
Das innovative Chemie-Unternehmen ratiochem GmbH hat die Kernkompetenzen der Herstellung qualitativ hochwertiger anorganischer, organischer und metallorganischer Fein- und Spezialchemikalien (vor allem Silicium(-organische) Verbindungen für den Einsatz in der Bauchemie), der Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen für seine Kunden bei Auftragssynthesen vom Labormaßstab, über die Pilotproduktion bis hin zur kommerziellen Produktion gemäß DIN EN ISO 9001, sowie Materialsourcing und der Beratung bei der Entwicklung von chemischen Materialien und Technologien. ratiochem GmbH besitzt insbesondere Know-how im Umgang mit Chemikalien auf flüssiger Basis sowie deren Herstellung.
ThyssenKrupp MillServices & Systems GmbH
ThyssenKrupp MillServices & Systems und seine Vorgängergesellschaften beschäftigen sich seit mehreren Jahrzehnten mit der Aufbereitung (Brechen, Klassieren, Sieben und Wertstoffrückgewinnung) und wirtschaftlichen Verwendung/Vermarktung von Schlacken aus der Eisenhüttenindustrie. Jährlich werden mehr als 1,2 Mio t unterschiedliche Schlackenqualitäten an verschiedenen Standorten und Herstellern von ThyssenKrupp MillServices & Systems in Deutschland aufbereitet und größtenteils als Produkte für den Straßen und Wegebau, Landschafts- und Wasserbau sowie als Düngemittel und für die Zementindustrie erfolgreich vermarktet. Mit der Zielsetzung der möglichst umweltschonenden und effektiven, das heißt wirtschaftlichen Verwendung von Schlacken hat ThyssenKrupp MillServices & Systems bereits bei verschiedenen Forschungsprojekten der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) als industrieller Partner mitgewirkt und verfügt über vertiefte Kenntnisse beim Transfer von Forschungsergebnissen in praktische Anwendungen.
TU Dresden
Die Technische Universität Dresden ist eine der elf Exzellenz-Universitäten Deutschlands: stark in der Forschung, erstklassig in der Vielfalt und der Qualität der Studienangebote, eng vernetzt mit Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Als moderne Volluniversität bietet sie mit ihren 14 Fakultäten ein breit gefächertes wissenschaftliches Spektrum. Sie ist mit 37.000 Studierenden und rund 7.770 Mitarbeitern die größte Universität Sachsens. Die Synthese von Imidazolen und Imidazoliumsalzen sowie der Aufbau verschiedener Heterozyklen hat eine lange Tradition an der Professur für Physikalische Organische Chemie. Im Zuge dieser Arbeiten wurde von Prof. Dr. Thomas Straßner eine neue Generation
von ionischen Flüssigkeiten mit interessanten Eigenschaften entdeckt, die sogenannten TAAILs (Tunable Aryl Alkyl Ionic Liquids). Diese versprechen ein sehr hohes Anwendungspotential für die industrielle Trennung und Rückgewinnung der genannten Metalle.